Der blinde Fleck


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Er kannte sich selbst besser,
als ihn jeder andere je gekannt hat
doch es ist wahr, dass er von sich selbst
nur das kannte, was er kennen wollte―

das, was er von sich selbst
nicht kennen wollte,
zeigten ihm andere, nicht wissend,
wie sehr ihn das jedes Mal
in seinem Inneren traf, 
weil er nicht glauben konnte,
dass er auch jener war,
den andere in ihm entdeckten 

der blinde Fleck in ihm
war für viele sichtbar
nur nicht für ihn selbst,
weil er nicht hinsah,
es nicht sehen wollte—

irgendwann musste er es wagen,
den blinden Fleck
in seinem Inneren zu betrachten
es gab zu viele Spiegel,
die ihm immer dasselbe zeigten

er wollte nicht länger
vor sich selbst fliehen,
sich selbst belügen,
zu anstrengend wurde das Leugnen— 

er starrte auf den blinden Fleck
in seinem Inneren
und sah dasselbe,
das andere immer schon gesehen,
der blinde Fleck in ihm 
war ein eigenartiges Wesen
mit vielen Marotten

das gefiel ihm gar nicht,
aber auch das war er wohl,
es war ein Teil von ihm,
in seinem Inneren—

er konnte dran etwas verbessern,
aber nicht alles ändern
sonst wäre er heute nicht mehr der,
den er selbst mal so gut gekannt—
er wäre sich selbst ein Fremder geworden.

* * *

Man sollte lernen, sich selbst anzunehmen, alle Facetten seines Selbst zu akzeptieren, um sich selbst lieben zu können. Wie soll man sich selbst lieben, wenn man sich selbst belügt, ein Teil seines Selbst leugnet, vor allem vor sich selbst?

Man sollte ehrlich sein zu sich selbst, dazu stehen, wie man eben ist, nur so kann man authentisch sein. Aber es ist wahr, jeder versucht, etwas, was an ihm selbst nicht gefällt und es deshalb nicht wahrhaben möchte, nicht nur vor sich selbst, auch vor den anderen zu verbergen. Man will nicht getadelt, kritisiert werden. Aber die Menschen merken es doch, niemand kann aus seiner Haut. Authentisch zu sein, setzt Ehrlichkeit voraus. In erster Linie Ehrlichkeit zu sich selbst.

© Sunelly Sims


„Was büßt man am schwersten? 
Seine Eigenart zu spät erkannt zu haben.“
 ―Jakob Bosshart