Ich lese dieses Buch gerade und es gefällt mir sehr gut, wie alle Bücher von Javier Marias. Ein herausragender Schriftsteller mit beeindruckenden Geschichten und einer toller Sprache. Sein Schreibstil begeistert mich immer wieder aufs Neue. Ich liebe seine "Botschaften" in seinen Romanen, weil sie zum Nachdenken anregen. Hier ein kurzer Auszug als Zitat aus dem Buch. Sehr empfehlenswert!
Zitat aus dem Buch: So fängt das Schlimme an - von Javier Marías
ISBN: 3596033667
"[...] ... nur wenige bekommen, was sie ersehnen, und wenn doch, dann währt es nicht lange, wer weiß, wie lange es bei ihr angehalten hat. Wir mühen uns, etwas zu erobern, und vergessen in unserer Eifer, dass es niemals gesichert und selten von Dauer ist, der Verlust eine ewige Gefahr, nichts ist je für immer gewonnen, oft schlagen wir Schlachten, spinnen Intrigen oder erzählen Lügen, verfallen in Niedertracht oder begehen Verrat, befördern Verbrechen, ohne uns vor Augen zu halten, dass das Erreichte womöglich nicht anhält (alle behegen den uralten Fehler, die Gegenwart als Endpunkt zu sehen und zu vergessen, dass sie vergänglich ist, zwangsläufig, ohne Hoffnung) und dass die Schlachten, Intrigen und Lügen, Niedertracht, Verrat und Verbrechen uns nutzlos erscheinen werden, wenn ihre Wirkung erst aufgehoben oder erschöpft ist, schlimmer noch, überflüssig: Nichts wäre anders geworden, wenn wir sie uns erspart hätten, so viel zwecklose Kühnheit, so viel Vergeudung, so viel Verschwendung.
Wir lassen uns von der abscheulichen Eile leiten, ergeben uns der giftigen Ungeduld, wie ich Muriel einmal hatte sagen hören, ohne zu wissen, ob es ein Zitat war. Wir sehen nicht weiter als bis zum Morgen, als wäre er das Ende der Zeit, wie die kleinen Kinder, die glauben, dass die augenblickliche Abwesenheit der Mutter endgültig und unumkehrbar ist, die Verlassenheit schlechthin; dass ihr Hunger oder ihr Durst, wenn man sie nicht unverzüglich stillt, für immer dauern werden; dass der Schmerz von einer Schramme niemals aufhören wird, den Schorf erahnen sie nicht einmal; dass sich ihr Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit für den Rest ihres Lebens niemals wandeln wird, das sie nur von Tag zu Tag, vom Stunde zu Stunde oder von fünf Minuten zu den nächsten erleben.
In dieser Hinsicht ändern wir uns kaum, wenn wir erwachsen sind, und ebenso wenig, wenn wir alt sind und dieser Rest immer kürzer wird. Die Vergangenheit zählt nicht, sie ist erloschene, verleugnete Zeit, ist Zeit des Irrtums, der Naivität oder Unwissenheit, letztendlich eine bedauernswerte, und was sie nicht macht und verdunkelt, ist folgender Gedanke: Wie unwissend, wie dumm waren wir, wir ahnten nicht, was uns erwartet, jetzt wissen wir Bescheid.
Doch über unserem jetzigen Wissen vergessen wir, dass wir morgen wieder etwas anderes wissen werden und uns das Heute ebenso dumm erscheinen wird wie das Gestern und Vorgestern und der Tag, an dem man uns in die Welt geworfen hat, vielleicht war es auch mitten in der Nacht, im Angesicht des verächtlichen, überdrüssigen Monds. Wir wandern von Täuschung zu Täuschung, ja täuschen uns darüber nicht, und dennoch halten wir den letzten Augenblick immer für den wahren. ... [...]"
Wir lassen uns von der abscheulichen Eile leiten, ergeben uns der giftigen Ungeduld, wie ich Muriel einmal hatte sagen hören, ohne zu wissen, ob es ein Zitat war. Wir sehen nicht weiter als bis zum Morgen, als wäre er das Ende der Zeit, wie die kleinen Kinder, die glauben, dass die augenblickliche Abwesenheit der Mutter endgültig und unumkehrbar ist, die Verlassenheit schlechthin; dass ihr Hunger oder ihr Durst, wenn man sie nicht unverzüglich stillt, für immer dauern werden; dass der Schmerz von einer Schramme niemals aufhören wird, den Schorf erahnen sie nicht einmal; dass sich ihr Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit für den Rest ihres Lebens niemals wandeln wird, das sie nur von Tag zu Tag, vom Stunde zu Stunde oder von fünf Minuten zu den nächsten erleben.
In dieser Hinsicht ändern wir uns kaum, wenn wir erwachsen sind, und ebenso wenig, wenn wir alt sind und dieser Rest immer kürzer wird. Die Vergangenheit zählt nicht, sie ist erloschene, verleugnete Zeit, ist Zeit des Irrtums, der Naivität oder Unwissenheit, letztendlich eine bedauernswerte, und was sie nicht macht und verdunkelt, ist folgender Gedanke: Wie unwissend, wie dumm waren wir, wir ahnten nicht, was uns erwartet, jetzt wissen wir Bescheid.
Doch über unserem jetzigen Wissen vergessen wir, dass wir morgen wieder etwas anderes wissen werden und uns das Heute ebenso dumm erscheinen wird wie das Gestern und Vorgestern und der Tag, an dem man uns in die Welt geworfen hat, vielleicht war es auch mitten in der Nacht, im Angesicht des verächtlichen, überdrüssigen Monds. Wir wandern von Täuschung zu Täuschung, ja täuschen uns darüber nicht, und dennoch halten wir den letzten Augenblick immer für den wahren. ... [...]"