Wichtig ist, was man täglich NICHT denkt


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„Es mag nicht immer wichtig sein, was man täglich denkt. Aber ungeheuer wichtig ist, was man täglich nicht gedacht hat.“
―Elias Canetti

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Ein großer Teil unserer Gedanken beschäftigt sich mit Banalitäten und zwar täglich. Wer hat was und warum gesagt oder getan, wer hat wie auf etwas reagiert und warum. Oder warum ist dies und jenes in der Vergangenheit geschehen, wann wird man es wohl endlich schaffen, über eine bestimmte Angelegenheit, die einem Kummer bereitete, hinwegzukommen - solche und viele ähnliche, auch sorgenvolle Gedanken  halten unseren Geist täglich auf Trab.

Ist das alles wichtig, oder nicht? Die Antwort auf diese Frage ist jedoch immer individuell, jeder verarbeitet seine Erfahrungen auf unterschiedliche Art und Weise. Jeder entscheidet subjektiv, welche Gedanken für ihn wichtig oder unwichtig sind. Aber da man die Vergangenheit nicht mehr ändern kann, ist es nicht sehr produktiv über sie nachzugrübeln. Doch ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das nicht immer so leicht ist; es gibt viele Erinnerungen, die einen immer wieder aus dem Hinterhalt überfallen und so kommt ein bestimmtes Ereignis (oder gar mehrere) aus der Vergangenheit hoch. Umso mehr, wenn dies ein Schmerzvolles gewesen ist.

Und schon kreisen die Gedanken um das damals Geschehene, das eben keine Freude machte sondern eher großen Kummer, leidvolle Enttäuschung brachte. Verletzte Gefühle brechen alle Dämme im Inneren, Narben reißen auf und die Stimmung sinkt plötzlich auf einen Tiefpunkt. Der eventuelle Frust der Gegenwart kommt vielleicht auch noch dazu und schon suhlt man sich in Unzufriedenheit; man fühlt sich unglücklich und deprimiert. Dann ist es bis zur Opferrolle auch nicht mehr allzu weit. Je länger man in diesen Gedanken "gefangen" bleibt, umso tiefer versinkt man im "Sumpf". Geschieht das jeden Tag, ist man irgendwann chronisch unzufrieden und es wird immer schwieriger, einen Weg daraus zu finden.

So gesehen wäre es bedeutsamer, unterscheiden zu können: Was ist für mich wirklich wichtig und was nicht? So wichtig, dass es die Aufmerksamkeit meiner täglichen Gedanken verdient, so oft, es geht? Die Antwort sollte sich nicht auf die Vergangenheit (die man ja nicht mehr ändern kann), sondern auf das Jetzt, besser gesagt, auf die Zukunft beziehen. Hier hat man noch Möglichkeiten zu gestalten. Was möchte man sein, wie möchte man leben, was möchte man erreichen?

Wir alle sehen und wissen, wie viele Dinge im Leben einfach so, ohne Vorwarnung geschehen, im guten, wie im negativen Sinne. Wir haben sehr vieles nicht unter unserer Kontrolle, auch wenn wir das uns selbst so gerne vorgaukeln. Doch das, was wir bewusst kontrollieren können, sind unsere Gedanken, auch wenn es manchmal schwer fällt, kontrolliert zu denken. Zu gern möchte man sich öfters mal gedanklich gehen lassen, sich in Gedanken so richtig austoben, schlecht und negativ über alles, was nicht so ist, wie man es gerne hätte, denken, schimpfen, fluchen, denn die Gedanken sind schließlich frei.

Und es kommt noch etwas Verlockendes hinzu: Niemand weiß, was ich wirklich denke, meine Gedanken gehören mir allein - ich kann denken, was ich will. Wenn ich nicht darüber spreche, erfährt niemand etwas über meinen wahren Gedanken, die in meinem Kopf täglich wüten.

Es gibt jedoch einen großer Nachteil, wie vorhin schon erwähnt: Unsere täglichen Gedanken bestimmen über unsere Stimmungen, ja, über unser Wohlbefinden. Je mehr "Gift" sie enthalten, umso frustrierter, deprimierender und unzufriedener fühlen wir uns.

Soll heißen: Wenn man sich also nicht so fühlen möchte, sollte man seine eigenen Gedanken an die Kandare nehmen, ihnen Grenzen aufzeigen, sie in die Schranken weisen - mit einem Wort: Sie kontrollieren. Das nennt man Gedankenkontrolle. Und dies geschieht im eigenen Interesse, schließlich will man sich selbst nicht schaden, man möchte sich lieber wohlfühlen.

Die Gedanken sind also frei, frei im Sinne von: Man hat immer die Freiheit zu entscheiden, was man denkt. Das heißt, ich alleine und nur ich alleine entscheide, was ich denke, welche Gedanken in meinem Kopf ihre Daseinsberechtigung bekommen. Mein Geist bestimmt ganz alleine darüber, wo es mit meinen Gedanken langgeht.

Man sollte es so oft wie möglich praktizieren, Herr über seinen eigenen Gedanken zu werden und sich von jenen, die negativ und giftig sind, nicht tyrannisieren lassen, sich nicht von ihnen runterziehen lassen. Denn sie sind immer stärker als man selbst, wenn man sie gewähren lässt. Der Abgrund, in den sie uns stoßen könnten, kann sehr, sehr tief sein, es wäre besser, lieber oben zu bleiben, anstatt in die Tiefe zu fallen.

© Sunelly Sims