**Mitten im Leben - Episoden aus dem Leben**
Du hast seine Augen, sagte sie. Nur schade, dass du auch seinen Blick auf die Welt nicht geerbt hast. Er hätte Menschen nie so hassen können, wie du es tust. Dazu war er zu menschlich, zu tolerant gewesen. Das Leben sei zu jedem gerecht, hatte er immer gesagt — wozu also hassen, sich rächen, mobben und ausgrenzen? Früher oder später würde jeden selbst genau das treffen, wie er andere behandelt hat, sagte er. Und das hat sich bisher oft genug bestätigt. Verstehst du das? Ich habe Angst, Angst um dich, dass alles, dass deine Taten, dieser Hass, den du in dir trägst, dich eines Tages auch einholen werden. Sie werden dich zerstören und ich werde dabei machtlos zusehen müssen, wie du den Boden unter den Füßen verlierst.
Nein, machtlos bin ich eigentlich jetzt schon, weil du mir nicht glaubst. Und es würde auch keine Rolle spielen, wenn dein Vater noch lebte. Auf ihn würdest du auch nicht hören. Es zerreist mir das Herz, dass ich dir nicht helfen kann, weil du die Zusammenhänge nicht begreifen willst, weil du sie nicht erkennen kannst. Aber es gibt sie, die Gerechtigkeit des Lebens, für jeden einzelnen von uns und sie steuert bereits auf dich zu; mit großen Schritten, immer schneller. Nein, sehen wirst du sie nicht, zumindest nicht rechtzeitig, um ausweichen zu können. Du wirst es spüren, wenn sie dich trifft und es wird sehr wehtun. Und davor habe ich Angst. Jetzt schon. Du wirst an meine Warnung denken, wenn es soweit ist, bloß dann wird es zu spät sein. Das ist alles, was ich dir sagen kann, mehr kann ich nicht tun, schließlich bist du erwachsen und musst dein Leben so leben, wie du es für richtig hältst. Die Verantwortung liegt bei dir, ganz allein.
Ich kann dich von dieser menschenverachtenden Gruppe nicht fernhalten, vor ihr nicht beschützen. Und ich kann nichts verhindern, so gern ich es für dich täte. Ich werde dich immer lieben, aber auch meine Liebe wird dich nicht beschützen können. Ich kann dir nicht mal sagen <Alles wird gut>, denn das wird es nicht, kann es auch nicht. Du überschreitest Grenzen und es wird kein Zurück mehr geben. Das Leben ist gerecht, glaub mir. Du wirst es irgendwann fühlen müssen.
© Sunelly Sims
(Foto via pixabay.com)
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"Der denkende Mensch irrt besonders, wenn er sich nach Ursache und Wirkung erkundigt, sie beide machen zusammen das unteilbare Phänomen. Wer das zu erkennen weiß, ist auf dem rechten Wege zum Tun, zur Tat."
―Johann Wolfgang von Goethe
―Johann Wolfgang von Goethe